R – wie Reifung und Aroma Part 1

Whisky ABC - R wie Reifung und Aromen Part 1

Warum reift Whisky in Fässern?

Damit sich ein Whisky auch offiziell Whisky nennen darf, muss das frische Destillat – der New Make oder auch White Dog genannt – in ein Holzfass gefüllt werden. Je nach Land und den dort geltenden Vorschriften muss es meist für mindestens zwei oder drei Jahre darin reifen. Beispielsweise ist in Schottland als Minimum eine dreijährige Reifezeit in einem Eichenfass vorgeschrieben. Gemäß der für die Europäische Union, und damit für Deutschland geltenden Spirituosenverordnung 2019/787 vom 17. April 2019 ist für den deutschen Whisky ebenfalls eine Mindestreifezeit von drei Jahren einzuhalten.

Muss das Reifefass immer aus Eiche bestehen?

Nein. In einigen Ländern ist zwar die ausschließliche Verwendung von Eichenholz für Reifefässer vorgeschrieben (siehe Schottland), jedoch dürfen beispielsweise in Deutschland neben Eiche auch die unterschiedlichsten Hölzer für den Bau von Fässern zur Reifung von Whisky verwendet werden. Der Großteil solcher in Deutschland eingesetzten Fässer besteht jedoch aus Eichenholz.

Hat die Reifung in Fässern Auswirkungen auf den Whisky?

Aber ja, und wie! Während der Reifung in Holzfässern verändert der farblose New Make sein Aroma sowie seinen Geschmack und erhält eine Farbe, die von strohgelb über Bernstein bis Mahagoni reichen kann. Führende Experten schätzen, dass ungefähr 60 bis 80 Prozent des Aromas und Geschmacks eines Whiskys von der Fassreifung stammen.

Was ist die meist verwendete Fassart in der Whiskyindustrie?

Die am häufigsten verwendete Fässer zur Reifung von Whisky sind ehemalige (ex) Bourbon Fässer. Frische Eichenfässer also, die einmalig für die Reifung von amerikanischem Bourbon Whiskey eingesetzt und dann in andere Länder exportiert werden. Meist sind dies American Standard Barrels (ASB) mit einem Fassungsvermögen von 190 Litern.

Aus welchem Holz bestehen Bourbon Fässer?

Bourbon Fässer werden aus amerikanischer Weißeiche („Quercus alba“) gefertigt. Die Dauben dieser Eichenart werden zu einem Fass, dem Barrel, zusammengesetzt und vor der Befüllung innen mit einer offenen Flamme ausgekohlt, bis eine dünne, schwarze Holzkohleschicht entsteht. Diese thermische Behandlung des Fassinneren bezeichnet man in Fachkreisen als „Charring“.

Welchen Zweck erfüllt das Auskohlen von Eichenfässern?

Während des Auskohlens der Innenfläche der Eichenfässer werden durch die Hitzeeinwirkung bestimmte Stoffe im Eichenholz chemisch verändert. Dabei bilden sich verschiedene Farb- sowie Aromaverbindungen, die während der späteren Fassreifung an das Destillat abgegeben werden. Zudem wird durch das Charring die Struktur des Eichenholzes physisch aufgebrochen, wodurch der reifende Spirit leichter und tiefer während der Reifung in die Dauben eindringen und auf diese Weise verschiedenste Aromastoffe herauslösen kann.

Um welche Holzinhaltsstoffe handelt es sich dabei?

Das Eichenholz setzt sich, wie auch alle anderen Pflanzen auf unserer Erde, aus den drei Hauptbestandteilen Cellulose, Hemicellulose und Lignin zusammen. Deren genaue prozentuale Zusammensetzung fällt bei den verschiedenen Eichenarten unterschiedlich aus. Alle drei Hauptbestandteile sind per se geruch- sowie geschmacklos und werden erst durch Hitze chemisch zu unterschiedlich aromatischen Abbauprodukten verändert.

Aus was besteht Cellulose?

Die Cellulose ist ein langkettiges und unverzweigtes Riesenmolekül, das aus vielen Tausend miteinander verknüpften Bausteinen zu langen Zuckersträngen zusammengesetzt ist. Die einzelnen Zuckerbausteine sind dabei ausschließlich Glucose (= Traubenzucker). Durch bestimmte Wechselwirkungen lagern sich die einzelnen Zuckerstränge zu einer sehr stabile Faserstruktur aneinander. Mit einem Anteil von etwa 40 Prozent des Trockengewichts ist Cellulose der am häufigsten vorkommende Bestandteil von Holz und damit die am weitesten verbreitete organische Verbindung der Erde.

Woraus besteht Hemicellulose?

Im Gegensatz zu Cellulose besteht die Hemicellulose nicht nur aus einem einzigen Zuckerbaustein, sondern ist aus vielen verschiedenen Zuckern (z. B. Glucose, Xylose, Galactose, Arabinose, Mannose) zu einem großen Molekül zusammengesetzt. Verglichen mit Cellulose sind diese Zuckerketten deutlich kürzer, weisen zusätzlich Verzweigungen auf und sind teilweise mit Essigsäure verestert. Bei Eichenholz macht die Hemicellulose einen Anteil von ca. 20 bis 30 Prozent des Trockengewichts aus.

Wie setzt sich das Lignin zusammen?

Im Unterschied zu Cellulose und Hemicellulose besteht Lignin nicht aus Zuckern. Es ist ein komplexes Riesenmolekül, das – vereinfacht gesagt – aus unterschiedlichen Phenolen zu einem dreidimensionalen Netzwerk zusammengesetzt ist. Lignin macht im Holz einen Anteil von ungefähr 20 bis 30 Prozent des Trockengewichts aus.

Welche Aromastoffe werden bei der Hitzebehandlung im Holz gebildet?

Die thermischen Abbauprodukte von Hemicellulose sind verschiedene Zucker, die durch die Hitze teilweise karamellisieren sowie kleine ringförmige Verbindungen bilden, die neben Farbe Aromen von Toffee, Mandeln, Nüssen, Früchten und Lösungsmittel aufweisen. Die hitzestabilere Cellulose liefert erst bei hohen Temperaturen aromatische Verbindungen, die Noten von Trockenfrüchten und gebrannten Mandeln abgeben. Lignin hingegen wird durch Einfluss von Hitze in eine breite Palette von phenolischen Verbindungen umgewandelt, die Aromen von Nelken, Schokolade, Rauch und Frucht aufweisen können.

Wie entsteht der Vanilleduft im Whisky?

Für den Vanilleduft ist die chemische Verbindung Vanillin verantwortlich. Vanillin ist zum einen auf natürliche Weise im Eichenholz enthalten. Ein Großteil des Vanillins wird jedoch durch thermischen Abbau von Lignin gebildet. Das Vanillearoma ist zum Beispiel sehr charakteristisch für amerikanischen Bourbon Whiskey, der in frischen, ausgekohlten Weißeichen Fässern reifen muss.

Wie gelangen die Holzaromastoffe in den Whisky?

Die durch Auskohlen der Fässer aus Cellulose, Hemicellulose und Lignin gebildeten Aroma-, Geschmacks- und Farbstoffe weisen ein unterschiedliches Lösungsverhalten auf. Einige dieser chemischen Verbindungen sind ausschließlich wasserlöslich, andere nur löslich in Ethanol und wieder andere lösen sich bereits in Mischungen der beiden Stoffe. Wenn der New Make mit einem durchschnittlichen Ethanolgehalt von 63,5 % vol ins Fass kommt, werden die ethanollöslichen Aromastoffe bevorzugt vom Destillat aus den Dauben gelöst. Während der Fassreifung sinkt in Deutschland der Alkoholgehalt des Whiskys. Dadurch überwiegt mit der Zeit der Wasseranteil im reifenden Whisky und die wasserlöslichen Aromastoffe in den Holzdauben werden nun vorzugsweise herausgelöst. So stellt die Fassreifung einen stetigen dynamischen Prozess dar.

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