
Was ist die Maillard-Reaktion?
Bei der Maillard-Reaktion handelt es sich nicht um eine einzelne Reaktion, sondern um eine komplexe Reihe von Reaktionen zwischen Aminosäuren (= Bausteine von Peptiden und Proteinen) und reduzierenden Zuckern (z. B. Maltose, Glucose). Unter Einwirkung von Hitze wird dabei eine Fülle von aromatischen und farbigen Produkten gebildet. Die Maillard-Reaktion wird auch als „nicht-enzymatische Bräunungsreaktion“ bezeichnet.
Was bedeutet der Begriff nicht-enzymatische Bräunungsreaktion?
Dies bedeutet, dass bei einer chemischen Reaktion, die die verschiedenen Reaktionspartner miteinander eingehen – in unserem Fall die Aminosäuren und die Zucker, keine Enzyme (= Biokatalysatoren) notwendig bzw. zugegen sind. Die Reaktion läuft also ohne enzymatische Hilfestellung ab.
Gibt es auch enzymatische Bräunungsreaktionen?
Aber ja! Ein Beispiel für eine enzymatische Bräunungsreaktion wäre die bräunliche Verfärbung eines Apfels an der Luft, sobald dieser mit einem Messer angeschnitten wird. Denn sobald Sauerstoff an die frische Schnittfläche gelangt, setzen Enzyme im Apfel Reaktionen in Gang, die zu dieser bräunlichen Verfärbung des Fruchtfleisches führen.
Wie kam die Maillard-Reaktion zu ihrem Namen?
Die Reaktion ist nach dem französischen Mediziner und Chemiker Louis-Camille Maillard (1878 – 1936) benannt, der im Jahr 1912 im Rahmen seiner Doktorarbeit die Reaktionen von Aminosäuren und Kohlenhydraten untersuchte.
Wo kann die Maillard-Reaktion beobachtet werden?
Überall im Alltag. Denn immer dann, wenn eiweißhaltige Lebensmittel geröstet, gebraten oder gebacken werden, bilden sich diese geschmacksintensiven sowie farbigen Maillard-Produkte. So lassen sich beispielsweise die dunkle Farbe und das intensive Aroma von geröstetem Kaffee, der feinwürzige Duft von gebratenem oder gegrilltem Fleisch, die Bräunung und der Umami-Geschmack von gebratenen Zwiebeln, die goldbraune Farbe von Pommes Frites sowie die dunkle Kruste von frisch gebackenem Brot auf chemische Substanzen zurückführen, die infolge der Maillard-Reaktion gebildet werden. Jedes Lebensmittel hat eine ganz eigene Reihe von Aromastoffen, die dabei entstehen.
Bilden sich bei der Produktion von Whisky ebenfalls Maillard-Produkte?
Aber ja. Während des gesamten Herstellungs- und Reifeprozesses von Whisky entsteht eine Fülle von diesen aromatischen, geschmacklichen und farbigen Produkten als Folge der Maillard-Reaktion.
Wie funktioniert die Maillard-Reaktion im Detail?
Die Reaktion findet zwischen reduzierenden Zuckern und Aminosäuren unter Einwirkung von Wärme/Hitze statt. Faktoren wie Temperatur und Dauer bestimmen dabei den Verlauf und die Art der Produkte der Maillard-Reaktion, die bereits bei Temperaturen >50°C einsetzen kann und bei 140-165°C sehr schnell abläuft. Die Produktpalette der Maillard-Reaktion ist sehr vielfältig. Beispielsweise konnten bei der Reaktion des Zuckers Glucose (Traubenzucker) mit der einfachsten Aminosäure Glycin mehr als 24 verschiedene Maillard-Produkte nachgewiesen werden. Ersetzt man Glucose durch den im Holz natürlich vorkommenden Zucker Xylose (Holzzucker), so entstehen beim Erhitzen mit Glycin bereits über 100 verschiedene chemische Substanzen als Maillard-Produkte.
Wie sehen diese Maillard-Produkte aus chemischer Sicht aus?
Die gebildeten Maillard-Produkte stellen meist ringförmige, sogenannte zyklische Verbindungen dar. Diese Ringe bestehen aus Kohlenstoffatomen und besitzen zudem ein weiteres Element im Ring, wie beispielsweise Sauerstoff (= Furane), Stickstoff (= Pyrrole) oder Schwefel (= Thiophene). Chemisch gesehen werden diese ringförmigen Verbindungen allgemein als Heterozyklen bezeichnet. Darüber hinaus werden bei der Maillard-Reaktion stark gefärbte Verbindungen gebildet, die ein Farbspektrum von gelbbraun bis fast schwarz aufweisen und unter dem chemischen Begriff „Melanoidine“ zusammengefasst werden.
Wo tritt die Maillard Reaktion beim Whisky-Produktionsprozess auf?
Bei der Herstellung von Whisky tritt die Maillard-Reaktion während des Darrens, Maischens sowie der Destillation auf. Letztere insbesondere dann, wenn die Brennblasen direkt befeuert werden. Maillard-Produkte entstehen auch beim Auskohlen der Eichenfässer, da hier freigesetzte Zucker aus dem Holz mit den in den Dauben ebenfalls vorhandenen Aminosäuren bzw. Proteinen unter der Hitzeeinwirkung des Feuers miteinander reagieren.
Verändert das Malz beim Darren die Farbe?
Ja. Denn je nach Dauer und Intensität der Hitzeeinwirkung während des Trocknens des Malzes werden die farbigen Maillard-Produkte – die Melanoidine – in unterschiedlichen Mengen gebildet, die sich dann in der individuellen Farbe des getrockneten Malzes widerspiegeln. Daher bieten Großmälzereien verschiedene Arten von Malz an – über helles Pilsner, dunkleres Münchner bis hin zu Melanoidin Malz, CARAMÜNCH® und dunklem Roggenröstmalz. Wegen der unterschiedlichen Bildung der Maillard-Produkte in Abhängigkeit von der Dauer und Temperatur des Darrens zeichnen sich diese Malze auch durch ihre individuellen Aromen aus.
Welche Aromen weisen die Maillard-Produkte im Whisky auf?
Die ringförmigen, aromatischen, geschmacklichen und farbigen Verbindungen aus der Maillard-Reaktion sind bereits in geringsten Mengen wahrnehmbar und leisten einen Beitrag zu den blumigen, grasigen, malzigen, gerösteten, nussigen, bitteren, getreide-, karamell- und toffeeartigen Noten im gereiften Whisky.
Bringt die Maillard-Reaktion auch Nachteile mit sich?
Ja. Denn gerade während des Maischens reagiert ein Teil der Getreideproteine mit verschiedenen Zuckern, die dann bei der anschließenden Gärung in den Washbacks der Hefe nicht mehr zur Umsetzung zu dem Trinkalkohol Ethanol zur Verfügung stehen. So kann durch zu viel Maillard-Reaktion während des Maischens und damit durch zu hohen Zuckerverbrauch die Alkoholausbeute nach der Gärung negativ beeinträchtigt, also verringert werden.
Ist die Karamellisierung auch eine Maillard-Reaktion?
Nein. Die Karamellisierung ist eine Reaktion nur zwischen Zuckern, wenn diese in Abwesenheit von stickstoffhaltigen Verbindungen erhitzt werden. Dabei werden Produkte gebildet, die ebenfalls dem Malz Geschmack und Farbe verleihen können. Die Karamellisierungsreaktion erfordert normalerweise drastischere Bedingungen (Temperaturen von >120°C). So reagiert beispielsweise der Zucker Glucose ab einer Temperatur von etwa 160°C mit sich selbst und karamellisiert mit der Zeit. Unter der Abspaltung von Wasser verändert die Glucose dabei ihre Konsistenz, die Farbe und den Geschmack. Zeit und Temperatur sind bei Karamellisierungsreaktionen von entscheidender Bedeutung, da sich mit zunehmender Hitzeeinwirkung der Geschmack und die Farbe der Produkte drastisch verändern können.