E – wie Erdfassreifung

Whisky ABC - E wie Erdfassreifung

Was versteht man unter Erdfassreifung?

Bei der Erdfassreifung lagern die FĂ€sser vollstĂ€ndig von Erde umgeben fĂŒr eine gewisse Zeit – in unserem Fall bislang zwischen zwei und drei Jahren – im Erdreich.

In welcher Tiefe werden die FĂ€sser ins Erdreich vergraben?

Da gibt es keinerlei Vorgaben. Bei unseren Experimenten wurden die FĂ€sser ein bis zwei Meter tief in der Erde vergraben.

Mit was sind diese FĂ€sser befĂŒllt?

Die FĂ€sser, die im Erdreich lagern, können entweder mit New Make oder mit bereits vorgereiftem Spirit befĂŒllt sein. NatĂŒrlich ist eine zweite Reifung von Whisky in eingegrabenen FĂ€ssern ebenfalls denkbar.

Wie viele Erdfassreifungen gab es bislang bei St. Kilian?

Wir haben bisher drei Experimente mit Erdfassreifungen durchgefĂŒhrt. Im Jahr 2017 wurden zwei 50 Liter FĂ€sser mit mildem St. Kilian New Make befĂŒllt und nach drei Jahren unter der Erde wieder ausgegraben und abgefĂŒllt. Ein Jahr spĂ€ter befĂŒllten wir zwei 30 Liter FĂ€sser mit rauchigem St. Kilian New Make. Diese wurden ebenfalls vergraben und nach drei Jahren in Flaschen abgefĂŒllt. Das dritte Experiment startete im Jahr 2021. Insgesamt wurden dabei 29 kleine, 30 Liter fassende FĂ€sser mit bereits zwei Jahre altem, in frischen FĂ€ssern aus PfĂ€lzer Eiche vorgereiftem, rauchigem St. Kilian Spirit befĂŒllt und im Erdreich unserer Bunker City im Odenwald fĂŒr weitere zwei Jahre vergraben.

Wann wurde der Whisky aus dem letzten Erdfass-Experiment abgefĂŒllt?

Die insgesamt 29 kleinen FĂ€sser, von denen 15 aufgeteilt in drei originalen HolzsĂ€rgen lagerten und 14 FĂ€sser daneben im direkten Austausch mit dem Erdreich standen, wurden im Oktober 2023 ausgegraben. Alle FĂ€sser sind anschließend entleert worden, wobei ein Teil davon fĂŒr unsere Erdfassreifung Grave Digger – Exhumation verwendet wurde. Der restliche Whisky lagert in ZwischenbehĂ€ltern und wartet auf den richtigen Zeitpunkt fĂŒr eine vierte St. Kilian Erdfassreifung.

Was ist das Besondere an einer Erdfassreifung?

Vergraben in der Erde findet der Austausch zwischen den FĂ€ssern und der Luft aus der Umgebung nur schwerlich statt. Denn je nach Lagerort und Tiefe im Erdreich herrscht wenig bis gar kein Sauerstoff mehr vor. Dieser kann somit nicht in das Fassinnere gelangen und keine Oxidationsreaktionen mit dem reifenden Destillat bewirken. FĂ€llt die Oxidation als ein Teil der Reifung weg, beschrĂ€nkt sich der Reifeprozess des Whiskys unter der Erde auf die Interaktion des Spirits mit dem Fass. Diese Interaktion wird durch die Verwendung kleiner FĂ€sser verstĂ€rkt, denn je kleiner das Fass, desto grĂ¶ĂŸer das VerhĂ€ltnis HolzoberflĂ€che zu Spirit-Volumen. Bei einem kleineren Fass kommt es also zu einem intensiveren Kontakt des reifenden Destillates mit dem Holz. Aus diesem Grund haben wir bislang nur 30 Liter und 50 Liter FĂ€sser vergraben.

Dringt Wasser von außen in die eingegrabenen FĂ€sser ein?

Das ist nicht auszuschließen. Zwar verhĂ€lt sich das Fassholz, insbesondere die Eiche, wie ein Schwamm und saugt sich mit FlĂŒssigkeit – von innen als auch von außen – voll. Doch diese FlĂŒssigkeit (im Fassinneren Alkohol und Wasser, außen herum nur Wasser) dringt nur wenige Millimeter bis Zentimeter in die Holzdauben ein und gelangt demnach nicht von der Außen- zur Innenseite und umgekehrt. Sonst wĂ€re ein Fass ja auch nicht dicht und es wĂŒrde FlĂŒssigkeit auslaufen. Jedoch stellt das Spundloch eine kritische Stelle im Fass dar. Obwohl es mit einem lebensmittelechten Silikonstopfen verschlossen ist, kann Wasser aus dem Erdreich durchaus ĂŒber mikroskopisch kleine Öffnungen rund um das Spundloch ins Fassinnere gelangen und den reifenden Whisky sozusagen „verdĂŒnnen“. Darauf hat man nur wenig Einfluss, denn unter der Erde ist das Fass unkontrolliert den vorherrschenden Elementen ausgesetzt.

Warum verliert ein Erdfass an Volumen und Alkoholgehalt?

FlĂŒssigkeit geht wĂ€hrend der Fassreifung aus dem Inneren eines Fasses durch Verdunstung verloren (Stichwort: Angels‘ Share). Dabei gelangt diese als Gas ĂŒber die feinen Poren der Eichendauben, ĂŒber die mikroskopisch kleinen ZwischenrĂ€ume zwischen den Dauben sowie ĂŒber das mit einem Stopfen verschlossene Spundloch nach außen. Im Falle einer Erdfassreifung befindet sich oftmals viel Feuchtigkeit in unmittelbarer Umgebung des Fasses, gerade nach einer regenreichen Periode. Nach den Gesetzen der Physik gelangt dadurch verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig mehr Alkohol als Wasser durch Verdunstung von innen ĂŒber die Poren der Eichendauben nach außen. Dadurch nimmt der Alkoholgehalt des Whiskys wĂ€hrend der Erdreifung oftmals deutlicher ab als bei der normalen Reifung im Lagerhaus.

Welchen Alkoholgehalt hat ein Erdfass-gereifter Whisky?

Das ist schwer vorherzusagen, aber der Alkoholgehalt wird wĂ€hrend der Reifung zum Teil deutlich sinken. Bei unserem ersten Experiment hatte der fassgereifte Whisky nach drei Jahren unter der Erde von anfangs 63,5 Volumenprozent (% vol) nur noch einen Alkoholgehalt von 40,6 % vol und lag damit minimal ĂŒber der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestalkoholgrenze von 40 % vol. Der zweite, 2020 abgefĂŒllte rauchige Single Malt Whisky kam nach drei Jahren Erdfassreifung immerhin auf 45,0 % vol, wĂ€hrend der Grave Digger – Exhumation Single Malt mit krĂ€ftigen 49,4 % vol in die Flasche abgefĂŒllt wurde.

Wie hoch ist der Aufwand fĂŒr einen Erdfass-gereiften Whisky?

Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass dieser Aufwand enorm ist. Erde muss fĂŒr die FĂ€sser ausgehoben werden, was – je nach Anzahl der FĂ€sser – auch schweres GerĂ€t in Form eines Baggers erfordert. Gerade bei dem letzten Experiment wurden auch noch originale HolzsĂ€rge vergraben, in denen einige der FĂ€sser gelegt wurden. Zudem drehten wir bei der Ausgrabung einen Werbefilm fĂŒr den Grave Digger – Exhumation Single Malt, der auch aus wirtschaftlicher Sicht anspruchsvoll war. Wir verkleideten uns dafĂŒr als TotengrĂ€ber und entrissen dem Erdreich im tiefsten Odenwald die flĂŒssigen SchĂ€tze.

Warum betreibt St. Kilian diesen hohen Aufwand?

Weil es unglaublich viel Spaß macht. Weil wir in RĂŒdenau extrem experimentierfreudig sind. Und weil wir unglaublich gespannt darauf sind, was am Ende als Resultat herauskommt. Man muss sich nur folgendes vorstellen: Man grĂ€bt nach zwei oder drei Jahren unter der Erde voller Spannung und Erwartung das Fass wieder aus und freut sich dann riesig, wenn etwas Großartiges daraus hervorgegangen ist. Das ist etwas ganz Besonderes fĂŒr uns und natĂŒrlich fĂŒr unsere St. Kilian Fangemeinde. Und genau das treibt uns an, das ist unsere Motivation fĂŒr weitere Experimente dieser Art.

Wie schmeckt so ein Erdfass-gereifter Whisky?

Sehr lecker! FĂŒr unser jĂŒngstes Experiment, Grave Digger – Exhumation, vermĂ€hlte unser Master Blender Mario Rudolf den Inhalt von Oloroso Sherry, Amarone Rotwein, Ruby Portwein sowie amerikanischen Weißeichen FĂ€ssern kunstvoll miteinander. Das Resultat ist eine mystische Essenz von dunklem Rauch, unvergleichlicher Tiefe und komplexem, dezent erdig-wĂŒrzigem Geschmack.

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