Whisky. Mit dem Glauben an Dauben.

Bunker City
© adrian kĂŒchen / SchleeGleixner

St. Kilian Distillers GrĂŒnder und GeschĂ€ftsfĂŒhrer Andreas ThĂŒmmler im Interview

Von Jörg Adrian, GeschĂ€ftsfĂŒhrer adrian kĂŒchen www.adrian-kuechen.de

DĂŒrfen wir vorstellen: Andreas ThĂŒmmler. Investmentbanker. Whiskylover. Genussmensch. VisionĂ€r. Vor ein paar Jahren keimte in ihm die Idee, in seinem Geburtsort seinen eigenen Whisky herzustellen. Von London ĂŒber weitere Wahlheimaten wie Los Angeles und San Francisco ging sein Weg. Nun treffen wir ihn heute hier. Im kleinen RĂŒdenau.

Die Gelehrten sind sich nicht einig: Irland oder Schottland? Die Whiskyliebhaber hingegen schon: Es ist ihnen egal! Denn wo auch immer der Whisky seinen Urspung haben mag: Wir sind in RĂŒdenau! Und hier schreibt man eine ganz andere Geschichte.

Willkommen in der Heimat von Deutschlands grĂ¶ĂŸter Destille und einer der weltweit modernsten. St. Kilian Distillers. Die ehemalige Kleiderfabrik stellt seit ihrem bemerkenswerten Umbau heute ganz anderen Stoff her. Und der ist dermaßen ausgezeichnet, dass an die meterhohe Wall of Fame im Eingangsbereich schon fast keine Urkunde mehr passt.

Der Ort mit gerade mal 750 Seelen ist lĂ€ngst mutiert zum Mekka fĂŒr 40.000 Kehlen. So viele Besucher hatte die Destille nĂ€mlich mittlerweile. Gut verteilt, versteht sich. Denn von all dem Trubel merken wir nichts – und der Whisky darf in Ruhe reifen. Mit der PilgerstĂ€tte fĂŒr WhiskyjĂŒnger hat Andi ThĂŒmmler der idyllischen Gemeinde in Unterfranken beeindruckend Oberwasser beschert. Und zwar destilliertes, um genau zu sein.

WĂ€hrend uns Andi Einblicke in die hochheiligen Hallen des heiligen Namenspartrons gibt, dĂŒrfen wir nicht nur neugierig Distillers Luft schnuppern. Wir stecken auch andĂ€chtig unsere Nasen in GlĂ€ser, die uns gereicht werden. GefĂŒllt mit höchstklassigem und höchstprozentigem Torftropfen, den selbst der Chef noch nicht kennt. Ein Blend, der gerade eben von den Fachleuten verprobt wird. Direkt aus einem Fass pipettiert. Wenn man bedenkt, dass das die tĂ€gliche Arbeit der Destillers ist! Geht schlechter – gestehen wir genĂŒsslich zu. Und dabei meinen wir nicht nur den Whisky. Und bekommen gleich noch einen zum Verproben.

Andreas ThĂŒmmler vor der Distille
© adrian kĂŒchen / SchleeGleixner

a.: Andi – Eine kleine, große Frage vorab: das kleine e, Whisky oder Whiskey?

Andi: In Irland und Amerika schreibt man ihn mit e. Die Schotten verzichten darauf. Und daran merkt man auch schon, welcher Whiskyart wir am nÀchsten sind.

Ihr seid also Schottlandfans?

Allem voran: Whiskylover! Aber wir sind schon sehr schottisch in dem, wie wir unseren Whisky herstellen. Ganz unabhĂ€ngig von unserer Anlage. Unsere Pot Still, die Kupferbrennblase, ist in einer der renommiertesten Kupferschmieden Schottlands hergestellt – auf ursprĂŒnglichste Weise. Und nach unseren Vorstellungen. Wer vor diesem Koloss steht, bekommt Ehrfurcht. Und weiß, warum wir fĂŒr Schottland brennen. Oder besser: wie in Schottland. (lacht)

Ist diese traditionelle Kupferblase dann eure „Geheimwaffe“ gegen langweiliges StandardgebrĂ€u?

Haha, nein, wir haben Super Mario.

Super Mario?

Klar (lacht laut) Mario Rudolf. Er ist ein absolutes Whiskyausnahmetalent. Erst war er noch Braumeister bei namhaften Brauereien; dann kam er zu uns. David Hayes, der sein Talent sofort erkannte, meinte zu ihm, dass er zuerst einmal ein internationales Traineeprogramm durchlaufen solle und hat ihm verschiedene Stationen ermöglicht. So ging Mario „auf die Walz“, von Destille zu Destille, und durfte von den Besten der Besten lernen. Nach Jahren kam er dann mit Unmengen an Wissen und Notizen zurĂŒck. Heute ist er unser Master Destiller – mit nicht mal 40 Jahren hat er mehr Goldmedaillen fĂŒr seine Whiskys erhalten als David in 40 Jahren. Bei uns heißt er Super Mario. David hat ihn aber auch schon als „Cask Wizard“ betitelt.

Respekt! Nur zum VerstĂ€ndnis … David Hayes?

Ach so, sorry. Ich muss ihn sonst selten vorstellen, da ihn in der Szene einfach jeder kennt. David Hayes, die WhiskykoryphĂ€e! Der Whiskypapst! Und unser Spiritus Rector. Er ist Schotte, lebt aber auch schon vier Jahre hier in RĂŒdenau, um St. Kilian mit zu konzeptionieren und aufzubauen. Seiner unglaublichen Erfahrung haben wir wahnsinnig viel zu verdanken. Und nicht zuletzt auch seinen Connections.

Du meinst wegen „Super Mario“?

Ja. Aber auch bei den Zutaten. Ein Beispiel: Glenesk. Das war frĂŒher eine Whiskydestille und ist heute eine MĂ€lzerei – Glenesk Maltings. Ich wollte unbedingt deren Torfmalz beziehen. Es ist einfach das Beste und trĂ€gt damit auch wesentlich zu unserer hohen QualitĂ€t bei. Der Typ von Glenesk allerdings hatte anfangs in keinster Weise Interesse, sein Torfmalz ins Ausland zu exportieren. Da sind die Schotten extrem eigen! Erst nachdem David den Produzenten ĂŒberredete, kamen wir ins GeschĂ€ft. Seit 6 Jahren kommt nun Eddie zu uns gefahren – Eddie ist Lkw-Fahrer von Glenesk der das Malz nach RĂŒdenau bringt. Exklusiv. Denn wir sind die einzigen Abnehmer in Kontinentaleuropa! Und damit die absolute Ausnahme. Darauf sind wir mĂ€chtig stolz.

Dieses Torfmalz, macht also das den torfigen Geschmack aus?

Ja, also das ist eine der Grundzutaten. Getreide darf kurz keimen. Und wird dann wieder getrocknet. Das geschieht unter anderem ĂŒber Torf, das in Schottland ganz traditionell als Brennstoff verwendet wird. Und das gibt dem Malz dann eben seine unverwechselbare Note mit.

… also peated Whisky?

Getorfter Whisky. Korrekt!

Was braucht es neben Malz noch fĂŒr Whisky?

In Sachen Zutaten? Gerstenmalz, Hefe und Wasser. Quasi brauen wir Bier ohne Hopfen. Und das wird dann destilliert.

Oha, „Gott erhalts.“ Aber nur Malz?

(Lacht) FĂŒr den Whisky ja. Im ersten Step brauen wir das sogenannte Distillers Beer. Das entsteht hier in den hölzernen Washbacks und hat ca. 8 % vol. Whisky und Bier haben viel gemeinsam und gehen auch gut zusammen. Nicht umsonst arbeiten neben Destillateuren auch sehr viele Brauer bei uns.

Und dann geht dieser Sud zum Brennen in die Pot Still?

Dazwischen liegen noch viel Liebe und Detailarbeit – aber im Großen und Ganzen: ja. Der Brand muss dann noch mindestens 3 Jahre lagern. Ab 3 Jahren und dem ersten Tag, darf er sich dann Whisky nennen. Oder eben: Wir dĂŒrfen es.

Was macht einen guten Whisky fĂŒr dich aus?

So banal es sich anhört: Geschmack. Und den musst du fĂŒr dich persönlich finden. Somit gibt es nicht DEN guten Whisky, der jedem schmeckt. Das ist ganz individuell. O. k., natĂŒrlich muss er auch von uns kommen. Denn sonst kann er ja gar nicht erst schmecken. Eh klar!

Sowieso! 😉 Stimmt es, je Ă€lter, desto besser?

Wir reden schon noch vom Whisky oder? (lacht) Man kann nicht sagen: je Ă€lter, desto besser – aber je lĂ€nger im Fass, desto milder ist er. Jedes Fass wird immer wieder verkostet. Und dann je nach Potenzial entschieden, wann das nĂ€chste Mal eine Probe genommen wird. So beschließen wir dann ganz individuell, wann der Brand „reif“ ist, ein echter St. Kilian sein zu dĂŒrfen. Das bedeutet dann gut und gerne auch 12, 16 oder 21 Jahre …

Wie viel trĂ€gt eigentlich das Fass zur Reifung oder besser zur Bildung der „besonderen Note“ bei?

Das Fass gibt selbstverstĂ€ndlich einen ganz besonderen Geschmack mit dazu. Das hĂ€ngt vom Holz ab – aber auch von einigen anderen Aspekten. Vielleicht erklĂ€r ich es am Beispiel von Bourbon Whiskey. Neben Gerste ist hier auch Mais enthalten. Sein StĂ€rkezucker lĂ€sst ein fĂŒr Bourbon typisches vanilliges Toffee-Aroma entstehen. Wenn wir folglich unseren Whisky in ehemaligen Bourbon-FĂ€ssern lagern, dann nutzen wir das zur Geschmacksausbildung. Die vollgesogenen Dauben, geben in den Jahren nach und nach diese Note wieder an den Alkohol ab. Und unser Whisky wiederum erhĂ€lt seine ganz spezielle FĂ€rbung fĂŒr den Gaumen. Übrigens – ganz nebenbei – wir haben ĂŒber 370 Fassarten. So viel wie keine andere Destille! Daran kann man schon erkennen, wie facettenreich unsere Whiskys ausgebaut sind.

VerrĂŒckt! Apropos FĂ€sser. Auch eure Lagerung ist echt irre. Wir waren ja dort, aber erzĂ€hl doch mal bitte …

Ihr meint die Bunker? Ja, das ist auch fĂŒr uns jedes Mal aufs Neue beeindruckend. Denn tatsĂ€chlich: Die grĂ¶ĂŸte HĂŒrde war, „wo zum Teufel sollen wir die ganzen FĂ€sser lagern?“ Hier hatten wir echt mehr als GlĂŒck, dass sich die ehemaligen NATO-Bunker in unmittelbarer NĂ€he anboten – „Bunker City“. Das ist eine weitlĂ€ufige Anlage, versteckt, mitten im Wald; mit 120 dieser einstigen MunitionslagerstĂ€tten. Uns gehören 15 – bald sogar 19 dieser Bauten. Dort lagern wir jeweils 500 – 600 FĂ€sser pro Bunker. Was das Beste daran ist: Durch die dicken Mauern hat man kaum Temperaturschwankungen. Zudem: Dort oben im Wald kommt das Klima dem der schottischen Hochebene schon sehr nahe. Alles was der Whisky eben liebt – unsere Kilian Highlands im Odenwald.

Hilf uns mal bitte beim Rechnen. Wie viele FĂ€sser lagert ihr? Aber vor allem, wo geht die Reise hin?

Aktuell? Hier haben wir ca. 10.000 FĂ€sser eingelagert; jĂ€hrlich kommen 2.500 dazu. Ziel ist es, mittelfristig die 50.000er-Fassmarke anzusteuern. Wenn man bedenkt, dass wir mal mit 700 pro anno gestartet sind …

Nosing
© adrian kĂŒchen / SchleeGleixner

Jetzt habt ihr aber nicht nur große FĂ€sser …

Stimmt. Das ist auch einer unserer USPs. Jeder, der mag, kann sich bei uns sein eigenes Fass kaufen. Ausgebaut nach persönlichem Gusto. Genau der Brand eben, den man mag. Diese Whiskys lagern in diesen kleinen privaten FÀssern, die ihr hier in den Regalen seht.

Das heißt, das wĂ€re dann „mein eigener“ Whisky?

Ja, genau. Wir haben aktuell ca. 1.000 Fassbesitzer, die sich das gönnen. Das sind unsere absoluten Hardcorefans, Brand Ambassadors!

Und warum ein kleines Fass?

Whisky oxidiert in kleinen FĂ€ssern schneller. Das hat etwas mit dem Volumen-OberflĂ€chen-VerhĂ€ltnis zu tun. In diesen 30-l FĂ€sschen ist der Whisky schon nach 3 Jahren so weit wie eigentlich erst nach 10 Jahren. Diese kleinen FĂ€sser sind auch kein Standardgebinde, sondern werden extra von einem KĂŒfer hergestellt. Dieser zersĂ€gt ein großes Fass und macht aus den langen Dauben kurze. Und so werden aus einem großen 1 bis 2 kleine.

Geniale Idee! Apropos: Was hat es bitte mit der „Erdreifung“ auf sich?

Ein typischer St.-Kilians-Abend. (grinst) Wir saßen zusammen. Irgendwann zwischen Glas eins und zehn kam der Gedanke, „Was, wenn unsere FĂ€sser nicht mehr ,klassisch‘ atmen?“ Was wĂŒrde passieren? Geschmacklich. Und ĂŒberhaupt. Tja, wir wĂ€ren nicht wir … (und das Grinsen wird sichtlich breiter) Kurzerhand haben wir sie am nĂ€chsten Morgen in meinem Garten eingebuddelt. Metertiefes Loch. Ein paar FĂ€sser rein. Erde drauf. Loch zu. Jahre spĂ€ter haben wir sie dann „gehoben“. Also in doppeltem Sinne. Es hĂ€tte ja sein können, dass das ganze Fass verrottet wĂ€re. Aber im Gegenteil. Alles gut. Und es hat auch so geschmeckt: echt gut! Wenn auch wirklich anders. Damit waren wir wahrhaft Pioniere. Sogar in der Art, dass Abgesandte der University of Oxford, die davon Wind bekamen, sich bei uns meldeten. Und die standen dann spĂ€ter tatsĂ€chlich auf unserer Schwelle, um Forschungen darĂŒber anzustellen. Einen Doktortitel haben wir zwar nicht bekommen. Aber der Spaß wars wert! Und das Ergebnis erst!

Das neue „nach Art des Hauses“?

Alles darf, nichts muss. Wir haben zum Beispiel eine Sonderauflage mit der Kultband Grave Digger. Heavy Metal verdient guten Whisky! Zudem: Die Jungs sind große Fans von uns und echte Torfheads. Speziell bei dem Bandnamen: Klar haben wir da auch ein paar FĂ€sser eingegraben! WĂ€re ja eine SĂŒnde, das nicht thematisch zusammenzubringen Die FĂ€sser haben sogar Grabsteine bekommen. Nein, nicht pietĂ€tlos – nur ein Marketing-Gag: Die Band wird ihrem Namen alle Ehre machen und den Whisky nĂ€mlich selbst ausgraben. Das wird eine ganz große Nummer. UnabhĂ€ngig davon, dass ich selbst Rocker at Heart bin! Ich bin super happy. Und da kommt ja noch einiges … Rock ÊŒn’ Roll!

Noch ein „Headliner“?

O. k., weil ihrs seid: JUDAS PRIEST! Zum 50. der Band gibts eine gemeinsame, flĂŒssige Kooperation: eine exklusive Limited Edition mit diesen Urgesteinen! Hammer, oder?!

Auf jeden Fall! Wenn wir jetzt schon bei großen Namen sind: Wie kamt ihr zu Terence Hill und Bud Spencer?

Ganz einfach: Sie kamen auf uns zu.

Wie jetzt? Terence kam mit seinem Pferd nach RĂŒdenau geritten?

Genau so! (lacht) Die Filme kennt jeder. Die sind genial! Absoluter Kult! Und jeder weiss, dass da nicht nur Hiebe verteilt werden, sondern auch Whiskey ausgeschenkt wird. Vielleicht wars nur eine Frage der Zeit, dass uns die Bavaria Film-Studios fragten, ob wir Lust an den Rechten hĂ€tten. Was fĂŒr eine Frage?! Klar! Jetzt gibt es bereits den ein oder anderen Brand. Bud Spencer reift in italienischen AmaronefĂ€ssern, Terence Hill in karibischen RumfĂ€ssern. Und im Haselnusslikör von Terence Hill sind sogar HaselnĂŒsse aus dessen Heimat verarbeitet. Allesamt sind sie nicht kompliziert oder nur etwas fĂŒr absolute Whiskyprofis. Vielmehr sind die genau richtig fĂŒr den Einstieg in die Whiskywelt. Die machen einfach Spaß. Und den ermöglichen wir damit einer breiteren Klientel. Schließlich soll niemand nicht auf den Geschmack kommen dĂŒrfen!

Wir sehen schon, ihr tragt euren Namen nicht ohne Grund. Echte Missionare. So wie St. Kilian eben.

Andreas ThĂŒmmler
© adrian kĂŒchen / SchleeGleixner
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